#1 Lampenarten, Betriebseigenschaften, Ersatz für die XS1100
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2014-08-09 - Ersatz der angehängten PDFs durch überarbeitete Fassungen.
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Hallo Leute,
nachdem Peter Kemm meinen Beitrag in Xenon-Scheinwerfer an der XS ? dankenswerterweise (und nicht ohne mich darüber in einer PM zu informieren) in ein neues Thema überführt hat, hat er mich auch noch gebeten, einen kurzen Abriss über die in der XS 1100 verbauten Leuchtmittel zu verfassen.
Das greife ich hier gerne auf. Nach längeren Recherchen im Internet und auch aus meiner eigenen Erfahrung kann ich meiner Ansicht nach doch auf fundiertes Grundwissen zurück greifen - aus meiner Tätigkeit seit mittlerweile ca. acht Jahren als Konstruktionsleiter bei einem Leuchtenhersteller für technisches Licht (allerdings nicht im Fahrzeugbereich) kenne ich die unterschiedlichen Lampenarten recht genau und weiß auch, welche technischen und lichttechnischen Vor- und Nachteile diese mit sich bringen.
Meine kurze Abhandlung habe ich der besseren Übersichtlichkeit wegen in drei PDF-Dateien zusammengefasst: 1. Lampen der XS 1100 2H9: hier werden alle in der XS 1100 (2H9) verbauten Lampen dargestellt. Diese Aufstellung enthält - entgegen der mir bisher zur Verfügung stehenden Wartungshandbüchern, Reparaturanleitungen und Service-Manuals - auch die Angabe der Lampenarten nach EC-Kategorie (genaue genormte Bezeichnung der Lampe) und die Bezeichnung der Sockeltypen (genormte Bezeichnung für die Fassung und damit für das Zusammenspiel Lampe - Lampenfassung). Das sind entscheidende Kriterien zur Auswahl des richtigen Leuchtmittels. 2. Lichttechnik Grundlagen Teil 1: hier wird am Beispiel des Hauptscheinwerfers mit Abblend- und Fernlicht vereinfacht dargestellt, wie eine Leuchte grundsätzlich funktioniert. Dies soll ein Vorgriff auf den dritten Teil sein, der alternative Leuchtmittel behandelt. Es ist wichtig, zu verstehen, wie eine Leuchte bestehend aus Reflektor, Fassung und Leuchtmittel funktioniert, um die Sinnhaftigkeit diverser (oftmals aus dem 'Land des Lächelns' ) angebotener Ersatzleuchtmittel einordnen zu können. 3. Lichttechnik Grundlagen Teil 2 - Retrofitting: unter 'Retrofitting' (wörtlich übersetzt 'Umrüsten', 'Nachrüsten') versteht man gerade im Leuchtenbereich das Ersetzen von klassischen Leuchtmitteln wie einer Glühlampe durch neuartige Leuchtmitteln (z.B. LED, Hochvolt-Halogen, Niedervolt-Halogen etc.), ohne an der Leuchte selbst Umbaumaßnahmen durchführen zu müssen, also: altes Leuchtmittel raus - neues Leuchtmittel rein - fertig). Das funktioniert zwar in vielen Fällen, im Fahrzeugbereich leider eher nicht. Dieses Kapitel erklärt auf Grundlage des Kapitels 2: Lichttechnik Grundlagen Teil 1, die teilweise abstrusen Konstruktionen. Hervorzuheben ist hier die (m.E. absolut dämliche) LED-Variante einer H4-Halogenlampe für das Abblend-/Fernlicht. Dieses Kapitel enthält die derzeit verfügbaren alternativen Leuchtmittel für die XS1100 unter Berücksichtigung der Zulassung.
Bei meiner recht umfangreichen Internet-Recherche habe ich seltsamerweise nicht viele namhafte Hersteller von KFZ Lampen gefunden. Dies spiegelt sich auch in den genannten Beispielen wieder. Ich möchte hier bestimmt keine Werbung für einzelne Hersteller machen, im KFZ-Zubehörhandel, den diversen Baumärkten und Supermärkten bekommt man überall die gängigen Lampen für Fahrzeuge mit unterschiedlichsten Herstellernamen. Die in den einzelnen beispielhaft genannten Marken und/oder Markennamen spiegeln also kein Qualitätsmerkmal wieder. Allerdings kann man davon ausgehen, dass die verschiedenen Verpackungen Produkte von vielleicht vier oder fünf weltweit tätigen Herstellern beinhalten. Trotzdem möchte ich hier einen Link angeben, der - meiner Meinung nach - gute Dienste Leisten kann, um die richtigen Leuchtmittel auszuwählen, das OSRAM 'Automotive Online-Tool': http://am-application.osram.info/publish/index_de.html. Leider enthält das Tool nicht mehr die XS1100, trotzdem kann es eine gute Hilfe sein (die Beleuchtungstechnik hat sich in den vergangenen Jahren ja nicht so drastisch verändert). Klar, dass man damit nur die OSRAM Leuchtmittel erhält. Aber mit einem Klick auf das Datenblatt des jeweiligen Leuchmittels erhält man die EC-Kategorie und/oder die Leistung in Watt und den entsprechenden Sockeltyp. Mit diesen Infos kann man dann ja auch Google füttern.
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Zuerst mal eine kurze Begriffsklärung: Birnen (die Glühbirne) wachsen auf Bäumen. Die kann man essen und die leuchten (zumindest noch) nicht. Die Gentechnik kann es zwar vielleicht irgendwann richten, aber als Lichtquelle werden wir Birnen wohl nie einsetzen. Das was leuchtet nennt man Lampen (also z.B. Glühlampe und nicht Glühbirne) oder auch Leuchtmittel. Das Gesamtgebilde aus Lampe, Fassung, Gehäuse etc. nennt man Leuchte.
Zu den in den modernen Fahrzeugen verbauten Lichttechniken Glühlampe: Was jeder kennt und auch in fast jedem Fahrzeug immer noch verbaut wird ist die Glühlampe (Blinker, Rücklicht, Bremslicht, Instrumentenbeleuchtung etc.). Diese Lampen bestehen aus einem Glühfaden (meist zu einer Wendel gewickelt um die Länge zu vergrößern) aus einer Wolfram-Legierung, welche in einen Glaskolben eingebaut ist. Im Glaskolben befindet sich ein inertres Gas (inert = reaktionsträge, beteiligt sich nicht oder nur sehr unwesentlich an chemischen Reaktionen), meist noch in einer Unterdruckumgebung. Der Unterdruck soll den für die Brenndauer schädlichen Sauerstoff weiter reduzieren.
Halogen-Lampen (H1, H3, H4 etc.): Halogen-Lampen enthalten ebenfalls eine Glühwendel. Der Glaskolben ist aber mit einem Halogenoid gefüllt (Jod, früher Brom). In der halogenen Atmosphäre verdampfen die Wolframatome und sorgen für eine stabile wolframhaltige Atmosphäre. Kühlt die Lampe ab, lagern sich die Wolframatome wieder an der Glühwendel ab. Das sorgt für eine relativ lange Lebensdauer des Leuchtmittels. Hochdruck-Metalldampflampe (kommen nicht in Fahrzeugen vor- ähneln aber Xenon): Werden herstellerabhängig mit HDI, HCI, CDM, SDW usw. bezeichnet. Diese Leuchtmittel werden nicht im Fahrzeugbereich eingesetzt. HDI Lampen beinhalten einen so genannten Keramik- oder Quarzbrenner in einem Glaskolben. Der Brenner ist mit Gasgemisch gefüllt, dessen Hauptbestandteil aus Halogenen besteht. Da Gase i.d.R. nicht elektrisch leitfähig sind, wird eine hohe Zündspannung (5000V bis 6000V) benötigt. Erst durch den dadurch im Gas entstandenen Lichtbogen und die Erhitzung des Gases wird dieses leitfähig (--> Plasma) und kann den entstandenen Lichtbogen aufrecht erhalten. Der Lichtbogen ist dann die Lichtquelle. Durch die Erhitzung des Gases und die dadurch entstehende Ausdehnung entsteht im Glaskolben ein Überdruck, daher auch die Bezeichnung Hochdruck-Entadungslampen. Diese Lampenarten benötigen einige Minuten, bis sie die volle Lichtleistung entfalten, deswegen sind sie für den Einsatz in Fahrzeugen ungeeignet. HDI-Lampen müssen mit einem speziellen so genannten Elektronischen Vorschaltgerät (EVG) betrieben werden, es genügt nicht, die Lampen einfach ans 230V Stromnetz (oder 12V Bordnetz eines Fahrzeugs) anzuschließen (!). Nach dem Ausschalten dürfen diese Lampen nicht sofort wieder eingeschaltet werden, da die Lebensdauer sonst sofort rapide abnimmt (wird durch das EVG geregelt). Auch dieser Umstand verbietet den Einsatz in Fahrzeugen. Xenon-Lampen: Xenon-Lampen funktionieren ähnlich wie Hochdruck-Metalldampflampen mit dem Unterschied, dass sie in weniger als 15 Sekunden die volle Leistung entfalten. Das liegt am verwendeten Edelgas Xenon. Auch sie benötigen ein EVG, das zunächst die bis zu 25.000V (25kV) Zündspannung liefert und dann auf die benötigte Betriebsspannung herunter regelt. LED: Das Thema Hochleistungs-LED für das Fahrlicht ist relativ neu (Stand 07/2014) und kann hier nicht behandelt werden. Weitere Vergleichsdaten: Um Leuchtmittel vergleichen zu können gibt es verschiedene physikalische Einheiten, die hin und wieder dann doch zu Verwirrungen führen können. Das betrifft nicht nur Fahrzeugbeleuchtungen sondern insbesondere auch Leuchtmittel für den Wohnbereich. Hier deshalb eine kleine Erklärung zu Lumen (Lm), LUX, Candela (cd) etc.
Lumen (lm = Lichtstrom): der Lumenwert gibt an, wie viel Licht ein Leuchtmittel absondert. Dabei wird nicht berücksichtigt, in welche Richtung das Licht abgestrahlt wird (z.B. strahlt ein HDI, XENON oder Glühfadenlampe das Licht annähernd gleichmäßig und kugelförmig in den gesamten Raum ab. LEDs haben i.d.R. einen Abstrahlwinkel von 120° zur Senkrechten der LED-Oberfläche (jede einzelne LED, z.B. bei LED-Stripes). Der Lumen-Wert ist also ungefähr vergleichbar mit der Leistung eines Motors am Kurbelwellenausgang egal, was dahinter noch kommt.
LUX: LUX sind das, was beim Anwender ankommt. In einem Büro braucht man z.B. ca. 500 LUX auf der Oberfläche des Schreibtisches. Je höher der Raum ist und je weiter z.B. die Deckenleuchten entfernt sind, desto mehr Lumen muss die Leuchte 'absondern', so dass der geforderte LUX Wert beim Benutzer 'ankommt'. LUX sind also nicht vergleichbar. Es hängt immer von den räumlichen Gegebenheiten ab, wie viel LUX eine bestimmte Leuchte in einer bestimmten Anordnung auf der (genormten) Arbeitshöhe erzeugen kann.
Candela (cd = Lichtstrom): Candela ist ebenfalls eine Maßeinheit für den Lichtstrom (siehe Lumen). Candela ist aber eher eine physikalische als eine praktische lichttechnische Größe (auf http://de.wikipedia.org/wiki/Candela wird dann alles viel klarer).
Um Leuchtmittel energetisch zu vergleichen hat sich eine ganz einfache Größe eingebürgert und zwar Lumen/Watt. Das entspricht etwa dem Leistungsgewicht kg/PS. Einige aktuellen Werte (Stand 07/2014):
Aktuelle LED-Hochleistungsmodule bringen es derzeit auf bis zu 160 lm/W (Stand: 07/2014)
Noch eine Kennzahl, die Lichtfarbe: Jeder weiß, dass es verschiedene Lichtfarben gibt. Das geht von einem gelblichen Warmton bis zu einem grellen bläulichen Licht (XENON ?). Die Lichtfarbe wird mit der Einheit K für Kelvin angegeben. Kelvin ist aber doch eine Temperatur und keine Farbe? Was ist ein Kelvin überhaupt? Was hat Kelvin mit °C zu tun?
Unsere gewohnte Temperaturskala °C basiert auf dem Gefrierpunkt von Wasser. Bei 0°C gefriert das Zeug (zumindest bei dem Nominal-Luftdruck auf Meereshöhe). Temperatur ist aber eigentlich die Bewegung von Atomen in einem Körper, Flüssigkeit oder in einem Gas. Je schneller sich die kleinen Dinger bewegen, desto wärmer ist es (oder im Körper an dem die Temperatur gemessen wird). Wenn sich nix mehr bewegt, ist der absolute Temperatur-Nullpunkt erreicht. Kälter kann es nicht werden. Das entspricht einer Temperatur von -273,15°C. Dieser Nullpunkt ist bei 0K (Null Kelvin - bei Kelvin wird kein °-Zeichen angegeben). Warum wird die Lichtfarbe dann als Temperatur angegeben?
Ganz einfach. Wenn ein Körper - und es ist ganz egal aus welchem Material der besteht - zu glühen beginnt, strahlt er eine helle Farbe ab (z.B. glühender Stahl, Magma bei Vulkanen oder ein Laib Brot etc.). Und genau diese Helligkeit ist die Lichtfarbe gemessen in Kelvin. Glüht z.B. ein Stück Stahl bei 1400 K und hält man eine Glühlampe mit einer Lichtfarbe von 1400 K davor, kann man keinen Farb- oder Helligkeitsunterschied erkennen.
Das ist eine einfache aber wirkungsvolle Art, die Lichtfarbe zu bestimmen. Heutzutage gibt es natürlich Messgeräte, die diese Aufgabe übernehmen.
Gruß
Peter
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lampen_der_xs_1100_2h9.pdf
lichttechnik_grundlagen_teil_1.pdf
lichttechnik_grundlagen_teil_2_-_retrofitting.pdf
Peter Kemm
(
gelöscht
)
Beiträge:
02.08.2014 03:14
#2 RE: Lampenarten, Betriebseigenschaften, Ersatz für die XS1100
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Hallo Peter,
da hast Du dich ja unheimlich ins Zeug gelegt, der glatte Wahnsinn - und höchst informativ!
Zu der geheimnisvollen 'Mummernschildbeleuchtung' (auf S. 7-32 des Werkstatthandbuchs gibts noch die Variante 'Hummernschildbeleuchtung'): Damit ist das Stand- oder Parklicht mit der 4W-Lampe im Scheinwerfer gemeint! Möglicherweise wollte es hier der Deutsch-Übersetzer des Handbuchs besonders gut machen und die Information mit reinpacken, daß mit dieser Lampe gleichzeitig die Rücklichtlampen brennen, das Nummernschild also beleuchtet ist - diese eventuelle Absicht ging allerdings mit dem bekannten Resultat gründlich in die Hose. In meiner Modifikation des 2H9-Schaltbildes unter Serviceunterlagen D [2H9, 3X0, 5K7] - Elektrik (eine hochaufgelöste Version s. unter Schaltplan 2H9, leicht modifiziert) ist das in der Legende korrigiert - weitere Korrekturen betreffen andere Benennungen in der Legende und zwei oder drei kleinere Fehler im Schaltplan selbst.
Unsinnigerweise brennen in Position P (= Parking) des Hauptschalters und/oder in Position PO des Lichtschalters zusammen mit der 4W-Lampe im Scheinwerfer ja immer beide Rücklicht-Lampen - im Zuge einiger früherer Modifikationen hatte ich das mal so abändern wollen, daß in diesen beiden Fällen nur eine Rücklichtlampe brennt, und die zweite erst mit Einschaltung des Fahrlichts dazugeschaltet wird. Aus nicht mehr bekanntem Grund habe ich dieses Vorhaben jedoch irgendwann aus den Augen verloren.
Gruß, Peter
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Bis dato gab es in zweieinhalb Jahren zwar (sehr) viele Aufrufe von Peters Thema, aber sonst zumindest hier keine Reaktionen - das Thema wird deswegen geschlossen.